Pressereaktionen zu "Wir sind noch einmal davongekommen"

 

Hanauer Anzeiger 24. Oktober 2008

 

Mitgefiebert, mitgefroren, mitgehofft „Wir sind noch einmal davongekommen“: Wilder-Klassiker „flutet“ den Congress Park Hanau.

 

Der Hausherr erfindet das Rad, seine Frau hütet zu Hause das Feuer, und das Mammut spielt derzeit mit dem Dinosaurier im Garten. Das ist das Leben der Familie Antrobus kurz vor der Eiszeit. Einblicke in diese frühgeschichtliche Familienidylle hab es jetzt im Congress Park Hanau. Mit der Produktion „Wir sind noch einmal davongekommen“ machte das österreichische Tourneetheater „Der Grüne Wagen“ auch in Hanau Station. Mit dem Schauspiel schuf der dreifache Pulitzerpreisträger Thornton Wilder 1942 ein zeitloses Stück über die Tiefpunkte der Geschichte der Menschen, über Katastrophen und Neuanfänge.

 

Zum Schauplatz macht er zunächst ein kleines Einfamilienhaus in New Jersey. Hier lebt die Familie Antrobus, vom griechischem „Antropos“: der Mensch. Denn es geht Wilder nicht um irgendeine Familie an der amerikanischen Ostküste. Was dieser Haushalt durchlebt, steht stellvertretend für die vielen Hürden, welche die Menschen in den vergangenen Jahrausenden genommen und immer wieder überstanden haben. Allen voran Mr. Antrobus, charismatisch von Thomas Stroux gespielt. Wie eine Art „amerikanischer Faust“ erforscht er rastlos Mathematik und Philosophie und erfindet ganz nebenher das Alphabet und die Kunst des Bierbrauens.

 

An seiner Seite herrscht, als Stimme der Vernunft, Johanna Liebeneiner als Mrs. Antrobus. Die Erfinderin der Schürze, Entdeckerin des fettfreien Garens auf heißem Stein und Hüterin des Hausfeuers ist das Sinnbild der perfekten Hausfrau, die ihre Familie zusammenhält. Ihr gegenüber das offenherzige Hausmädchen Sabina (Petra Liederer). Die selbst ernannte Muse und potentielle Geliebte des Hausherrn gibt sich aber keinesfalls als unterwürfiges Personal, sondern viel mehr als Sinnbild der Emanzipation mit einem Hang zu Theatralik. Nicht zu vergessen die lieben Kinder. Da wäre zum einen die aufgeweckte Tochter Gladys (Dinah Pannos), ein typisch amerikanischer Teenie. Und zum anderen ihr leicht labiler Bruder Henry (Philipp Proszowski), dessen eigentlicher Name Kain ist, was aber die Familie, nach dem tragischen Tod seines Bruders Abel, zu verschweigen versucht. Wem das noch nicht bibelnah genug ist, der freue sich auf den zweiten Akt, an dessen Ende die Welt in der Sintflut versinkt und Mr. Antrobus den Fortbestand er Welt rettet, indem er sich mit seiner Familie auf eine Arche rettet. Natürlich nicht ohne vorher mit seiner Tochter imaginäre Tiere durch den Zuschauerraum und unter Stuhlbeinen hindurch zu treiben.

 

Der dritte Teil des Schauspiels trägt den Namen „nach dem Krieg“. Unabhängig davon, um welchen Krieg es sich handelt, geht es um den neuen Start der „Familie Mensch“, den Wiederaufbau. Unter der Regie von Thomas Stroux entstand aus dem eh schon geistreichen Stoff eine humorvolle Inszenierung. Vor allem durch die erstklassige Besetzung glänzte das Ensemble aus Österreich. Die Darsteller um Stroux und Liebeneiner überzeugten vor allem durch ihre Authentizität und Spielfreude, die das Publikum mitfiebern,- frieren und –hoffen ließ.

 

„Wir sind noch einmal davongekommen“ ist ein Schauspiel, das nicht ur unterhalten, sondern vor allem zum Nachdenken anregen will. Denn hinter all den dramatischen Charakteren auf der Bühne steht doch im Großen die Geschichte des Menschen. Und wie Sabina am Ende richtig bemerkt: „Das Ende des Stückes ist noch nicht geschrieben“.

 

Caroline Muhl (HA/jp)

 

 

 

MÜNSTERLAND ZEITUNG 15.10.2008

 

Auftakt im Theaterring mit Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“

 

AHAUS: Existenzängste wegen der internationalen Finanzkrise? Die kennt Familie Antrobus nicht. Warum auch? Eiszeit, Sintflut und Krieg hat sie ja auch überstanden.

 

Dem Tourneetheater „Der Grüne Wagen“ gelang in Ahaus eine packende Inszenierung des Wilder-Stücks.

 

„Das ist alles was wir tun – immer wieder von vorn anfangen! Warum machen wir uns immer wieder etwas vor? Eines Tages wird die Erde eh erkalten und bis dahin werden all diese Sachen immer wieder geschehen: Noch mehr Kriege, und noch mehr Sintfluten und Erdbeben“, stellt Dienstmädchen Sabina (Petra Liederer) lakonisch fest. Sie verkörpert wie Mr. Und Mrs. Antrobus (abgeleitet aus griechisch Anthropos „Mensch“) und deren Kinder Henry und Gladys Archetypen zwischen Liebe und Hass, Mut und Verzweiflung, Vergnügen und Trauer, Gut und Böse.

 

Am Ende erntete das neunköpfige Ensemble in der vollbesetzten Stadthalle großen Applaus.

 

 

 

Norderstedter Zeitung – (HAMBURGER ABENDBLATT) - 17. 10. 2008

 

Ein turbulentes Spiel ums nackte Überleben

 

„Bei der letzten globalen Wirtschaftskrise sind wir noch einmal davongekommen.“ Der Schauspieler und Regisseur Thomas Stroux hat diesen Satz seiner Inszenierung der Parabel „Wir sind noch einmal davongekommen“ von Thornton Wilder vorangestellt – aus aktuellem Anlass, und um dem Publikum in diesen wirren Wirtschaftszeiten Mut zu machen.

 

Stroux lässt eine heutige Familie die Katastrophen der Menschheitsgeschichte durchleben. Eiszeit und Sintflut als Symbole für die Klima-Katastrophe... Johanna Liebeneiner gibt als Mrs. Antrobus das Familientier,... überzeugt durch Selbstverständnis. Stroux zieht alle Register seines Könnens: solide, glaubwürdig, kompetent. Petra Liederer ist kess, witzig, schnell und wendig... Überzeugend auch Dinah Pannos als Gladys und Philipp Proszowski als Henry, ein Bösewicht. Gut in einer Nebenrolle Sylvia Reisinger als Wahrsagerin.

 

Heike Linde-Lembke

 

 

 

Münstersche Zeitung – Rheiner Kultur, Samstag, 18. Oktober 2009

 

Regisseur Thomas Stroux und sein Tourneetheater „Der Grüne Wagen“ aus Wien gewannen dem Wilder-Klassiker eine aktuell interpretierbare Inszenierung ab.

 

Klassiker für Krieg und Krise Nach Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davongekommen“ in der Stadthalle blieb ... eine große Nachdenklichkeit zurück....sind nicht weltweite Energiekrise, drohende Klimakatastrophe und Desaster der Finanzmärkte für viele schon „Apocalypse now“?

 

Existenzfragen

 

Für Thornton Wilder und seine „Familie Antrobus“, die „Eiszeit, Sintflut und Weltkrieg“ durch- und überlebt, ist sie es jedenfalls. Das Stück entstand 1942 kurz nach Hitlers Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten. Das weltweite Aufsehen, das „Wir sind noch einmal davongekommen“, danach auslöste, ist sicherlich Folge der damals unmittelbaren zeitlichen und existenziellen Betroffenheit.

 

Und heute? Eiszeit steht in der modernen Fassung für den Klimawandel, die „Sintflut“ – im Stück die Zerstörung Atlantic Citys – für das moderne „Sündenbabel“ überhaupt. Und der „Krieg“ für die nicht enden wollende Störung des Welt-Friedens. Insofern ist das Stück sehr zeitgemäß.

 

Bitter nötig: Humor

 

Wilder‘s Anliegen, dass das Gute und Böse im Leben ewig sind, setzt Thomas Stroux so um, dass „belastete Momente“ in der Menschheitsgeschichte immer wieder durch humorvolle Aufbrechungen „entlastet“ werden.

 

Gerold Stubbe

 

 

 

MÜNSTERLÄNDISCHE VOLKSZEITUNG, 18.10.08

 

Vom ewigen Überdauern der Menschheit Rheine.

 

Zeitlos menschliche Probleme wollte Thornton Wilder in seiner Parabel „Wir sind noch einmal davongekommen“ aufzeigen...., Durch drei menschheitsbedrohende Katastrophen muss die Familie Antrobus, eine Verformung des griechischen Wortes Anthropos („Mensch“), mit unerschütterlichem Optimismus kommen. Unveränderliche Typen sind sie alle: Mr. Antrobus (Thomas Stroux) als der ewige Adam, Mrs. Antrobus (Johanna Liebeneiner) als Stammmutter Eva. Doch die Realität des „Paradise Lost“ kennt auch Henry (Philipp Proszowski) als das Böse, Gladys (Dinah Pannos) als die naive Tochter und das Hausmädchen Sabina (Petra Liederer) als ewige Verführerin.

 

In dieser Parabel kommt es auf die philosophische Aussage an, dass das Gute und Böse ewige Bestandteile des Lebens sind, aber der menschliche Lebenswille alle Weltkatastrophen überdauert. Eiszeit und Sintflut sind die Ereignisse, die der Pulitzer-Preisträger Wilder mit ironischem Unterton und komödiantischen Einlagen auf das moderne Amerika bezieht. Es ist ein Verdienst der Regie (Thomas Stroux), diese zwei Ebenen dargestellt zuhaben: Seit der Zeit des verlorenen Paradieses bis auf den heutigen Tag wird der Mensch für seinen Hochmut bestraft, aber sein Lebenswille im „struggle of life“ wird belohnt. Ein TV-Sprecher (Gerhard Karzel) schuf vor jedem Akt diese Verbindungssicht, selbst der Gastspielort Rheine wurde in den „News of the World“ genannt, eine gelungene Mahnung ans Publikum, die Aktualität jeder Art von Bedrohung zu bedenken.

 

Damit wurde eine dritte Ebene des Stücks angesprochen, die das Theaterspiel selbst betrifft... auf der Bühne gelingt die spielerische Improvisation (durch die Rolle der Sabina) wie im Leben der pure Optimismus (durch die Familie Antrobus). Im Spiel zeigt das die Vermischung der Darstellungstechniken, die vom Mysterienspiel (1. Akt: Homer und Moses) bis zur Broadway-Revue (2. Akt: Lilith-Szene) reicht. So wird dieses Stück auch zur Parabel über das Theater, und die Rolle der Sabina (als Zofentypus toll: Petra Liederer) wird zum Sprachrohr des Autors, wenn sie das Publikum mit dem Satz „Das Ende des Stückes ist noch nicht geschrieben“ nach Hause entlässt.

 

Der Schwäche .... den naiven Glauben an das ewige Überdauern des Menschen zu predigen, ist die Regie im letzten Akt (vor einem Luftschutzkeller nach dem Weltkrieg) geschickt begegnet. Thomas Stroux lässt den dritten Akt unter der Ägide der tragischen Muse Melpomene ablaufen, keine Gags oder komische Einsätze trüben den ernsten Eindruck. Damit wird die Schlussphase im Bühnenbild (Rolf Doerr), das zwischen Aufbruch und Provisorium steht, zum ernsten Spiel.

 

Ingmar Winter

 

 

 

Aargauer Zeitung - 25.10.08

 

Den Saisonauftakt bei der Theatergemeinde machte «Der Grüne Wagen» aus Wien mit dem Schauspiel «Wir sind noch einmal davon gekommen» von Thornton Wilder (Uraufführung 1942). Das Stück zeigt die drohende Vernichtung des Menschengeschlechts in drei Stationen: in der Eiszeit, während der Sintflut und im Bombenkrieg. Aus all diesen Katastrophen kommt sie, ohne viel daraus zu lernen, gerade «noch einmal davon». Wilder warnt davor, so weiter zu machen wie bisher, denn er geht von der Erkenntnis aus, dass die Umwelt des Menschen seit Jahrtausenden immer wieder völlig zerstört wurde, dass der Mensch aber alles überdauert hat, weil etwas Unzerstörbares in ihm lebt.

 

Es ist keine leichte Aufgabe, mit diesem Stück auf Tournee zu gehen. So hat denn Theaterleiter und Regisseur Thomas Stroux eine vereinfachte Bühnenfassung kreiert, eine Fassung mit Höhepunkten...

 

Das dritte Bild, das Kriegende, ist hervorragend inszeniert und gespielt. Hier lebt das Wort des Dichters, Satz für Satz. Sequenz um Sequenz bewegt, löst Betroffenheit aus und hebt wiederum das Versöhnliche, den Mut zum Neuanfang, hervor. Das erste Bild, die Eiszeit, beginnt mit einer szenisch geschickt angelegten Einführung in die Familie Antrobus mit Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Dienstmädchen und den Haustieren. Wilder lässt alle fünf ein Synonym verkörpern, welches beim Auftritt der einzelnen Personen klar sichtbar und konsequent durchgezogen wird. Wilder mischt auch die theatralischen Formen unbedenklich, von der kabarettistischen Farce bis zum metaphysischen Mysterium....

 

Das Geschehen auf der Bühne dominieren Johanna Liebeneiner als tugendhafte Mrs. Antrobus und Petra Liederer als ausschweifendes Dienstmädchen Sabina beziehungsweise Miss Sunshine. Beide überzeugen in jeder Situation, legen ihre ganz unterschiedlichen Gefühle ungeschminkt offen und verfügen auch über eine ausgezeichnete Sprechtechnik. Thomas Stroux gibt den Mr. Antrobus.., findet ..immer den Weg zum besinnlichen, ewigen Adam mit grossem Geschick. Während sich Dinah Pannos (Tochter Gladys) sehr um ein differenziertes Erscheinungsbild bemüht, hat es Philipp Proszowski (Sohn Henry) mit der Darstellung seines negativen Weltbildes bedeutend einfacher. (hzb)